Fortsetzung folgt

Und das geht so: Ein Pippelwichser gibt den Anfang einer Geschichte vor, alle anderen dürfen die Geschichte nach ihrem Gusto fortsetzen. Selbstverständlich gilt auch hier die Regel: Wir wollen keine Regeln! Verpflichtet sind und bleiben wir nur unserem schlechten Geschmack!
Auch der Autor selber kann eine Fortsetzung im Kopf (oder in der Tastatur) haben, muss er aber nicht, weil niemand nichts muss.


-------------------------------------------------------------

Der Maulwurf
Teil 1 - von Leberecht von Kotze

Als er ein gewisses Alter erreicht hatte, entwickelte ein durchschnittlich kluger und begabter aber überdurchschnittlich frustrierter Maulwurf eine von außen betrachtet schwer verständliche Freude daran, seinen jüngeren und lebensfrohen Artgenossen durch das Verbreiten zum Teil langweiliger, zum Teil unappetitlicher Geschichten die Hoffnung auf ein aufregendes und fröhliches Leben zu rauben. "Wisst ihr, Kinder", sagte er gerne, wenn er es durch billige Tricks und mit nicht ganz so billigen aber dafür in die Abhängigkeit treibenden Halluzinogenen versetzte Leckereien geschafft hatte, eine Gruppe abenteuerlustiger Mini-Buddler um sich zu versammeln, "als ich in eurem Alter war, da dachte ich noch, dass mir die ganze Welt offensteht und zu Füßen liegt. Inzwischen weiß ich, dass das völliger Scheißdreck ist."
"Wir haben nichts gegen Scheißdreck!", quäkte ein vorlautes Maulwurf-Blag dazwischen. "Wir graben uns den ganzen Tag durch Erde, Schmodder und Gedöns. Ich freue mich immer, wenn ich auf eine modrige Scheißdreck-Ader stoße. Die ist eine willkommene Abwechslung, man flutscht nur so durch und riecht hinterher spannend!"
Die anderen Maulwurf-Kinder kicherten kurz, warteten aber auch gespannt auch die Retourkutsche des leidlich schlagfertigen Alten. Sie wollten ihn nicht verärgern. Seine Geschichten waren zwar meist lahm, aber die Drogen hauten gut rein.
"Kleiner, vorlauter Grubenbert", grunzte der Alte mit einem Kopfschütteln. "Wenn ich gewusst hätte, dass ausgerechnet du mir mal blöd kommen würdest, hätte ich deiner Mutter damals in der Schwangerschaft nicht so viel Dope und Crack verkauft. Was ich euch eigentlich nur sagen will: Erwartet bloß nichts von diesem Leben. Findet euch damit ab, dass ihr kleine hässliche nichtsnutzige Insektenfresser seid, die niemals das Tageslicht sehen werden."
"Das ist doch Quatsch", widersprach Grubenbert energisch. "Ich werde ganz bestimmt ans Tageslicht kommen. Ich buddele mich einfach jeden Tag in eine andere Richtung vor. Immer weiter und weiter. Und irgendwann komme ich schon oben raus. Und dann sehe ich die Welt. Jawohl, ich werde die Welt sehen!"
"Grubenbert, ich sage dir eins, und ich will, dass du mir gut und sehr genau zuhörst", sagte der Alte jetzt mit sehr ernstem und energischem Tonfall, der keinen weiteren Widerspruch duldete. "Du wirst dich nicht bis an die Oberfläche durchbuddeln, hast du das verstanden? Das gilt für dich wie für alle anderen hier: Wagt es nie, in Richtung Oberfläche zu buddeln. Ich weiß, ihr wollt das Tageslicht sehen, weil ihr irgendwelche alten Geschichten gehört habt von Maulwürfen, die mal da waren und die erzählen, dass es das Tollste und Beste sei. Aber das sind alles Märchen. Das ist alles Betrug, glaubt mir. Niemand, der oben war, wird euch jemals erzählen können, dass es dort schön ist."
"Was soll das heißen? Woher willst ausgerechnet du das wissen?", wollten Grubenbert und jetzt auch andere kleine Scheißer wissen.
"Ich bin oben gewesen", sagte der Alte mit einer fast tonlosen Stimme, aus der seine Traumatisierung zu allen Seiten herauszuquellen schien wie Erdbeermarmelade aus einem Berliner, der langsam und genüsslich zerquetscht wird. "Ich weiß, dass es alles andere als schön ist. Es ist die Hölle! Und ich weiß auch, dass kein anderer, der je oben war, lebend zurückgekommen ist. Die Allermeisten, die es versucht haben, wurden schon in dem Moment von einem Raubvogel geschnappt, als sie die Grasnabe durchbrochen haben. Andere konnten gerade so den Rüssel an die Luft halten, bevor sie von einem rostigen Metall-Gebiss in der Mitte durchgeschnitten wurden. Ich habe die Schreie derjenigen gehört, die nicht das Glück hatten, dass ihnen Falle oder Feind direkt das Genick gebrochen haben. Ich habe Freunde langsam ausbluten sehen. Glaubt mir, da oben gibt es nichts Schönes. Es gibt dort nur Tod und Verderben."
"Aber was ist mit dem Licht?", protestierte der unaufhaltsame Grubenbert, während sich die ersten Zuhörerinnen aufgrund der drastischen Schilderungen schon erbrachen. "Ich will das Licht sehen. Ich habe mal gehört, dass das Licht für jeden Schmerz entschädigt und sogar schöner sein soll als der Tod."
"Und ich habe gehört, wie deine Mutter meinen Namen geschrien hat, während du gezeugt wurdest!", raunzte der Alte zurück. "Willst du wirklich wissen, was dich an der Oberfläche erwartet?"
"Das habe ich doch gesagt!"
"Dann komm mal her."
Inzwischen kicherte keines der Maulwurf-Kinder mehr über den ernsthaften Streit zwischen dem Alten und ihrem vorlauten Freund. Jetzt gaben sie eine Gasse frei zwischen Grubenbert und dem Alten und tuschelten leise untereinander. Keiner von ihnen wollte mehr an die Oberfläche und keiner glaubte, dass es eine gute Idee gewesen war, immer weiter zu widersprechen und das Thema so lang auszuwalzen. Auch Grubenbert merkte, dass die Stimmung umgesprungen war und er keinen Rückhalt mehr in der Gruppe hatte. Aber nachdem er dem Alten die ganze Zeit über so vehement Contra gegeben hatte, musste er jetzt auch konsequent bleiben. Ein Zurück gab es nicht mehr. Langsam kroch er auf den Alten zu, der ihn mit einer bedrohlichen Ruhe musterte. Schritt für Schritt näherte sich Grubenbert. Der Alte verzog keine Miene. 
Grubenbert wollte sich nicht einschüchtern lassen, aber er hatte verstanden, dass er sich mit seinem vorlauten Geplärre für den Moment selbst in die Defensive gedrängt hatte. Wenn er gleich bei dem Alten war und seinen fauligen alten Atem riechen konnte, würde der versuchen, ihm noch mal so eindrücklich wie möglich Angst zu machen. Er würde ihm entweder ganz leise und verschwörerisch direkt drohen oder ihn vor allen anderen derartig anschnauzen, dass sein Ruf nachhaltig darunter leiden konnte. Um die Situation so aufzulösen, dass er als Sieger aus diesem Disput hervorgehen konnte und die Stimmung wieder zu seinen Gunsten zu drehen, musste er sich jetzt schon überlegen, mit welchem blöden Spruch er gleich reagieren konnte. Er musste lustig und gleichzeitig souverän sein. Und er musste sofort wie aus der Pistole geschossen kommen, durfte dabei aber nicht vorbereitet wirken, sondern musste spontan sein. Grubenbert wusste, dass er so etwas eigentlich konnte, aber noch während er sich darüber Gedanken machte, sprang der Alte mit einem Satz aus dem Stand auf seinen Kopf, biss ihm in den Nacken und riss ihn mit seinen Wühlpranken entlang der Wirbelsäule in zwei Hälften. 
"Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiih", machten die meisten anderen kleinen Maulwürfe in den ersten Reihen, die Blut und Innereien abbekamen. Ein paar besonders zart besaitete fingen an zu schreien oder fielen in Ohnmacht, andere brachten nur ein gehauchtes "Coooooool" hervor, wieder andere bekamen einen Lach-Flash, weil sie auf einem schrägen Trip waren.
"So", brachte der Alte schnaubend hervor, während ihm das Blut vom beherzten Biss aus dem Rüssel tropfte. "Ich hoffe, ihr habt jetzt verstanden, dass und warum ihr nie an die Oberfläche gehen solltet. Kein Licht der Welt kann euch hierfür entschädigen. Ist das klar?" Der Alte ließ noch einen beherzten Tritt folgen, bei dem Grubenberts Schädel nachgab und mit dumpfem Knacken zerbrach, bevor er von den matschigen Überresten seines vorlauten Opfers abstieg und sich gemächlich in seine Höhle zurückzog.
Die Maulwurf-Blagen nickten stumm. Tatsächlich mussten auch sonst kritische Geister eingestehen, dass der Alte seinen Punkt recht ordentlich verdeutlicht hatte.
Als die Kleinen nach und nach abgezogen waren, rekapitulierte der Alte das Gespräch und seine Reaktion. "Ich war heute schon recht lässig, das muss ich mir lassen", dachte er. "Wenn ich einen Hut hätte, müsste ich ihn vor mir selber ziehen, aber so kleine Hüte gibt's ja gar nicht. Allerdings frage ich mich immer noch, ob der kleine Grubenbert nicht vielleicht doch recht hatte. Vielleicht gibt es da oben ja doch etwas Schönes zu sehen..."

TO BE CONTINUED...

-------------------------------------------------------------

Der Maulwurf
Teil 2 - von The Incredible Dieter

Der Alte kratzte sich an der Stelle seines Körpers, an der ihn die Welt mal gepflegt konnte. Plötzlich klopfte es am Eingang seiner Höhle. Er wunderte sich, denn natürlich hatte seine kleine Behausung gar keine Tür. Außerdem erhielt er niemals Besuch. Es sei denn von den kleinen Blagen, wenn ihnen der Sinn nach ein paar Leckereien stand, weil ihnen wieder mal die Hoffnung auf ein aufregendes und fröhliches Leben zu schön erschien, um wahr zu sein.
„Nicht herein!“, brummte der Alte, doch Grubenberts Mutter war bereits in die Höhle gestürmt und schien sehr erregt zu sein. Nicht auf eine schöne Weise, sondern auf eine eher schnodderige.
„Was hast du mit meinem Sohn gemacht?“, brüllte sie ihn ohne begrüßende Worte oder einer Erkundigung nach seinem Wohlergehen an. Wirklich keine guten Manieren. Im Gesicht des Alten, das mittlerweile eine dunkelrote Kruste schmückte, regte sich kein Muskel.
„Antworte“, setzte des mittlerweile verspeisten Grubenberts Mutter nach, „du inoffizieller Mitarbeiter“, was in Maulwurfskreisen die zweitschlimmste Beleidigung ist, die man sich nur vorstellen kann. Direkt nach Kriech-Nietzsche.
„Mein Gott, Hilde“, erwiderte der Alte schließlich doch, aber sehr gemächlich, „er hatte einen echt fiesen Trip und war drauf und dran, die Jugend hier unten aufzuwiegeln. Das konnte ich nicht zulassen. Und außerdem erinnerte mich seine Hackfresse immer an dich. Manchmal muss man eben ein unbedeutendes Leben opfern, damit die übrigen Nichtsnutze vor Schlimmerem bewahrt werden können. Und jetzt verschwinde, ich muss mir die Nägel schneiden. Und danach frustriert sein. Schließlich will ich überdurchschnittlich frustriert bleiben.“
„Das wird Folgen haben, mein Lieber!“, fauchte die Alte. Dabei meinte sie das `Lieber´ keineswegs ernst, sondern bitterbös sarkastisch.
Nachdem sie verschwunden war, fragte sich der Alte, welcher Teufel ihn geritten hatte, dass er sich damals dazu hatte hinreißen lassen, mit diesem alten Ranzgesicht Liebe zu machen. Dabei meinte er das `Liebe machen´ ebenfalls nicht ernst. Während er Mani- und Pediküre betrieb und sich dabei an frustrierenden Gedanken übte, klopfte es diesmal nicht an die überhaupt nicht vorhandene Tür, sondern in ihm schlich sich erneut diese fiese Zweifel an seinem sonst hübsch stabilen Überzeugungssystem bewirkende Frage von hinten an ihn heran, die der kleine vor Hoffnung und Träumen strahlende Grubenbert in ihm gesät hatte - die Sau!
Hatte der Kleine nicht vielleicht doch ein kleines bisschen Recht gehabt, fragte er sich und fluchte, weil ihn dieser Zweifel von seinem Frustrationstraining ablenkte. Verdammt, dachte er weiter, eigentlich beneide ich dieses kleine Miststück schon ein wenig um seine Träume und seinen Idealismus. Und es erinnert mich an eine Zeit, die sehr lange her ist und in der ich ihm gar nicht unähnlich war, und welche mich schließlich zu meinem einzigen Ausbruch an die Oberfläche bewegt hat, ohne den ich nun nicht so herrlich frustriert sein könnte.
Ja, so hübsch verwinkelt und verschlungen, fast so kunstvoll wie er seine Gänge anlegte, konnte der Alte denken. Aber er war noch nicht fertig mit denken. Und er war kein Maulwurf der halben Sachen wie sein ehemaliger Studienkollege Hohlraumkalle, der neulich erst wieder in einem seiner Gänge stecken geblieben war.
Hmmm, mal überlegen, überlegte der Alte eifrig, was habe ich eigentlich gesehen, als ich damals oben war. Also ich meine außer meinen zerfetzten Kollegen. Ach so! Richtig, jetzt erinnere ich mich wieder.
Der Hauch eines Lächelns umspielte sein Gesicht, woraufhin er sich selber boxte, weil er sich solch emotionale Entgleisungen nicht durchgehen lassen konnte.
Wo kämen wir denn da hin, räsonierte er, wer würde denn hier unten die labile Ordnung aufrecht erhalten, wenn ich nicht durch meine Gruselgeschichten der Widerspenstigen Zähmung betriebe? Die Lebensfreude der Jugend will zurecht gestutzt werden, sonst schießen die Träume in die Höhe, und wir haben hier unten Anarchie und lauter SPD-Wähler!
Doch etwas schien den Alten nicht mehr loszulassen, so sehr er sich dagegen auch wehrte.
Und wenn ich nur mal ganz kurz lugte, fragte er sich. Natürlich so, dass es keiner mitbekommt. Wie spät ist es? Zum Abendessen könnte ich wieder zurück sein.
Er blickte auf seine Sonnenuhr und bevor er es sich doch noch einmal anders überlegte, rannte er aus seiner Höhle und verschwand in einem seiner streng geheimen Gänge.
Nun denn, trieb er sich an, frisch, fromm, frei zur Tat. Arbeit macht frei. Und was sich reimt ist gut, auch wenn ich Freiheit wirklich überhaupt gar nicht ausstehen kann. Aber halt, wo ist denn eigentlich oben? Ach richtig, wo ich bin ist oben. Und wenn ich mal unten bin, ist unten eben oben.
Nachdem er einen kleines Stück gebuddelt hatte, hielt er inne und fragte sich, ob er seine Höhle abgeschlossen hatte, nicht dass sie ihm all seine Drogen stahlen, die ihm halfen, sich all seine verängstigenden Geschichten zu stricken und unters Volk zu bringen, und ob er nicht im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen, schließlich war er doch so lange Zeit so herrlich frustriert gewesen. Das konnte er doch nicht einfach aufs Spiel setzen. Denn so war er immer prima frei von Erwartungen, und wer nichts mehr vom Leben erwartete, der konnte auch nicht enttäuscht sein, was für ihn selbstverständlich etwas ganz anderes war, als frustriert zu sein.
Was soll ich bloß tun, fragte er sich innerlich zerissen, was soll ich bloß tun?
Das zweite Mal, um die Spannung zu steigern, was natürlich reichlich dämlich war, weil er ganz allein war. Doch dann hatte er es!

TO BE CONTINUED...


-------------------------------------------------------------

Der Maulwurf
Teil 3 - von Leberecht von Kotze

Mit beherzten Schaufelschlägen seiner frisch manikürten Pranken, die er – wie Generationen von Maulwürfen vor ihm – durch extensive Masturbation in seiner Junggesellen-Zeit zu wahren Wunderwerken der Grabekunst veredelt hatte, trieb er sich durch das feuchte Erdreich, das ihn an die gute alte Hilde erinnerte, obwohl es gar nicht süß-sauer schmeckte. ‚Den Volksmund, der behauptet, dass der Weg das Ziel sei, werde ich zu blutigem Brei schlagen, wenn er mir jemals persönlich begegnen sollte,’ dachte er, während er sich unter Stöhnen und Schmerzen sehr langsam weiter vorarbeitete, was ihn wiederum an Hilde erinnerte – als sie noch sehr, sehr jung war.
‚Das Ziel ist das Ziel, und der Weg ist der Weg, alles andere ist doch Humbug!’, setzte er seinen Gedankengang fort, weil er keinen Gesprächspartner hatte, der für einen Dialog hätte herhalten können. Ohnehin hielt der Alte mit gutem Grund sich selbst für seinen besten Gesprächspartner, obwohl er von Zeit zu Zeit bedauerte, dass er sich selber keine Angst machen konnte, weil er glaubte, zu clever zu sein, um auf seine eigene billige Masche hereinzufallen. Er lag falsch. Er war nicht zu clever. Eigentlich war er eher zu dumm, um zu verstehen, was er sich selber zu erklären versuchte. Aber das wusste er nicht. Weil er zu dumm war.
‚Denn wenn der Weg wirklich das Ziel wäre’, machte er mit seinem irrsinnig langweiligen und sinnentleerten Gedanken weiter, ‚dann wäre ja das Ziel auch der Weg. Und wohin sollte der führen, wenn man doch schon am Ziel ist? Am Ziel gibt es keine Wege. Außer vielleicht diejenigen, die zum Ziel hinführen. Und wenn die dann wieder der Weg sind, dann verlässt man das Ziel ja wieder, was aber auf keinen Fall das Ziel sein kann. Auf der anderen Seite könnte es dem Ziel herzlich egal sein, ob man es verlässt oder nicht, solange es der Weg wäre, auf dem man geht. Aber wie soll man denn dann jemals ankommen? Und was passiert, wenn man eine Pause macht, um zum Beispiel am Wegesrand einen Haufen zu setzen? Oder noch besser: Was wäre denn, wenn man den Haufen direkt auf den Weg setzt? Wäre das Ziel dann beschissen? Wer setzt sich denn beschissene Ziele? Und wer scheißt aufs Ziel? Doch niemand, der sich auf den Weg macht. Aufs Ziel können nur Leute scheißen, die gar nicht erst losgehen. Also kann der Weg nicht das Ziel sein. Viel eher ist der Start das Ziel! Ja, so muss es sein! Mann, bin ich ein geil cleveres Kerlchen!’
Noch während er den letzten Gedanken in seinem kleinen und nicht qualitativ hochwertig gefüllten Kopf zu Ende formulierte, stellte er fest, dass er zwar nach wie vor Grabe-Bewegungen machte, aber tatsächlich wieder mitten in seiner heimischen Höhle angekommen war. „Verdammte Regenwurm-Wichse!“, schrie der Alte, weil er hoffte, dass ihn jemand hören könnte. ‚Ich muss einfach mit diesem pseudo-philosophischen Dreck aufhören’, dachte er dann wieder ganz für sich – und für das hier mitlesende Publikum. ‚Das mag zwar helfen, um diese sinnlose Episode ein wenig künstlich in die Länge zu ziehen, aber es bringt weder mich noch den Autor oder Leser dieses Unsinns weiter.’
Wo er schon mal wieder in seiner Höhle war, nutzte er die Gelegenheit, um die nicht vorhandene Tür sicher zu verschließen und die verbleibenden Drogen zu konsumieren, damit sie ihm niemand stehlen konnte, und machte sich ein zweites Mal auf den Weg. Diesmal ohne Gedanken.
Als er die Oberfläche nach endlos langer gedankenloser Buddelei erreichte und durch die Grasnarbe brach, wurde ihm auf einmal klar, dass der kleine Grubenbert Recht gehabt hatte. Das Licht der Welt war tatsächlich das Wunderschönste, und es entschädigte für alle Frustration, alles Leid und allen Schmerz, den man je erlebt hatte oder noch erleben konnte. Er verfiel in eine fast euphorische Begeisterung, als er bemerkte, wie klar ihm plötzlich alles wurde und wie vollkommen die Welt und das Leben waren. Da musste er erst so alt werden, um zu verstehen, was die Welt wirklich ausmachte.
Im selben Moment bohrte sich eine rostige Metallschiene unter lautem Schnappen in das alte welke Fleisch seines kleinen überflüssigen Körpers. Er hörte, wie Knochen zerbrachen und spürte nicht ohne Genuss, wie sich Splitter davon in seine Organe bohrten und ihm zum letzten Mal angenehm weicher Stuhl abging. Mit einem leisen Röcheln würgte er etwas Blut hervor, das sich mit den getrockneten Innereien-Resten von Grubenbert vermischte, die immer noch in seinen Schnurrhaaren klebten. ‚Dann sterbe ich eben’, dachte sich der Alte mit wesentlich mehr Würde, als er sie in seinem gesamten Leben je hatte ausstrahlen können. ‚Ich bereue und bedauere nichts – außer, dass ich den Kleinen nicht davon erzählen kann, wie schön es ist, dass wir alle blind sind.’


Ende... ?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen